Millionenwette
- petitfrancois
- 24. Aug. 2017
- 4 Min. Lesezeit
Bevor ich befördert werde, werde ich Millionär
Wie aus Frust der Plan B entstand
Ich war in meinen jüngeren Jahren ziemlich ehrgeizig. Grundsätzlich war ich auch bei allem rel. gut und erfolgreich, in was ich Zeit und Energie ringesteckt habe (Sport, Games, Hobbys). Ich wollte später einen gutbezahlten Job in einem bekannten Unternehmen ergattern und dort so schnell wie möglich ins Kader befördert werden und aufsteigen. Spätestens als ich in Organigrammen und auf Visitenkarten von anderen Leuten schicke Titel wie Vice President oder Director gesehen habe, wusste ich, wohin die Reise gehen sollte.
Beim Thema Karriere schienen aber plötzlich andere Gesetze zu herrschen. In der Arbeitswelt reicht es manchmal nicht, wenn man einfach solide und viel arbeitet. Wer kennt das nicht, der Neue der von extern kommt, monatelang eingeschult werden muss, aber bereits einen Corporate Titel- und einen massiv höheren Lohn hat? Und der Arbeitskollege, der seit 10-15 Jahren loyal dabei ist und immer gute bis sehr gute Bewertungen erhalten hat, verdient immer noch fast gleich viel wie zu Beginn. Oder auf der Beförderungsliste ist plötzlich eine Frau nach nur mal 1-2 Jahren drauf, die sich eher durch hohe Absätze und kurze Röcke bemerkbar gemacht hat. Solche und ähnliche Stories gibt es haufenweise.
Bei mir war es folgendermassen. Nach 2.5 Jahren stand ich selbst auf der Beförderungsliste im Handel. Ich war allseits beliebt, hatte immer teamübergreifendde Arbeiten zusätzlich geleistet und Lehrlinge betreut. Vor der Beförderung erhielt ich jedoch ein Jobangebot eines internen Kunden im Bereich Vermögensverwaltung. Da ich diese Jungs bereits kannte, und mich auch mit denen blendend verstand, nahm ich den Job an, wodurch die Beförderung am alten Ort weggefallen ist. Im Nachhinein hätte ich mich dafür oft ohrfeigen können, aber alles hat seinen Zweck im Leben, ich glaube nicht mehr an Zufälle.
Mit Ende zwanzig war ich dann auch in der Vermögensverwaltung dort angelangt, wo ich sein wollte. Dies war nach dem Crash 2008, und ich hatte immer noch keinen Rang in der Hierarchie, aber lohnmässig war ich zufrieden. Fix war ich bei ca. 55 CHF die Stunde. Das Gehalt währte aber nicht sehr lange, als ich ca. 30 war, kam alles anders. Es gab gewaltige Umstrukturierungen, mein alter Arbeitgeber wurde vom Mutterhaus geschluckt. Mir wurde ein neuer Vertrag unter die Nase gehalten. Massiv weniger Fixgehalt, oder gehen. Da ich die Zeiten der Arbeitslosigkeit und Stundenlöhnen noch gut in Erinnerung hatte, habe ich mich für weniger Lohn entschieden. Dies war ein gewaltiger Knick im Ego, war ich kurz vor den blauen Feldchen im Monopoly, musste ich wieder zurück an den Start. Meine negativen Emotionen führten dann schlussendlich aber dazu, dass ich mir definitiv Gedanken über einen Plan B gemacht habe.
In den Anfangsjahren auf der Bank, wurde gelegentlich jemand befördert, der 1-2 Jahre älter war als ich. Dachte ich ok, nun muss ich Gas geben, dann kann ich das auch noch schaffen. Später wurde jemand befördert, der gleich alt war. Dachte ich, der hat mehr Berufserfahrung, da nicht studiert. Noch später wurde dann jemand befördert, der 1-2 Jahre jünger war. Denkste ok, ev. hat der gerade einen tollen Lauf, es ist noch nicht zu spät.
Spätestens als mein früherer Lehrling befördert wurde, der auch noch 9 Jahre jünger ist, hatte ich die Gewissheit, dass ich karrieretechnisch verkackt hatte. Natürlich war ich in all den Jahren nicht untätig, was das Thema Lohnerhöhung und Beförderung angeht. Diversen Chefs und Cheffinnen lag ich damit mehrmals in den Ohren. Die Diskussionen waren teilweise äusserst frustrierend für mich. Unter Arbeitskollegen war ich stets enorm beliebt und auch die meisten Kunden mochten mich und schätzten meine Arbeit.
Ich habe es aber praktisch fast im Jahrestakt fertiggebracht, einen oder mehrere Böcke zu schiessen, die meinen Arbeitgeber Geld gekostet haben, einen meiner Vorgesetzten zu vergraulen oder sonst jemandem auf den Sack zu gehen, der am längeren Hebel war. Zudem schien ich stets Superstars im Team zu haben, bei denen eine Beförderung fälliger war.
Als Usain Bolt im 100m Sprint den Weltrekord gelaufen ist, hat praktisch die ganze Welt übersehen, dass Tyson Gay im gleichen Rennen die zweitschnellste Zeit der Geschichte gelaufen ist. Ich stand also nicht selten im Schatten von einem meiner Kollegen. Viele von ihnen wurden zudem zu meinen besten Freunden, was natürlich auch viele Vorteile mit sich zog. Oft konnten diese Kumpels mich aus der Misere ziehen, oder sonst ein gutes Wort für mich einlegen, wenn ich etwas verbockt hatte. Auf der anderen Seite standen sie durch mich in einem noch besseren Licht, wenn ich es mit einem Chef vergeigt hatte. Ich konnte immer als schlechtes Beispiel die Messlatte tief halten.
Ich eckte nach oben immer schon an, war politisch nicht besonders gewandt und dachte zu oft laut. Das begann bereits in der Schule mit diversen Lehrern, später bei Coaches, dann im Militär und nun in der Arbeitswelt. Meine Frau meint, vielleicht habe ich einfach ein Autoritätsproblem. Allein schon durch mein Äusseres boten sich in den Jahren genug Angriffsflächen. Ich weigere mich, Anzüge und Hemden zu tragen. Man nannte mich früher deswegen auch Bankbüzer, weil ich eher wie ein Bauarbeiter daherkam.
Einige Male wurde ich auch verwechselt. Ich wurde im Geschäft im Gang für den Hausabwart oder Informatk-Supporter gehalten. Einmal suchte ich meinen Kollegen im chinesischen Restaurant direkt in der Nähe, da klopfte ein Anzugträger von aussen genervt an die Scheibe. An seinem Händefuchteln erkannte ich, dass er sein Essen immer noch nicht serviert bekommen hat und dachte, ich sei der Kellner.
Nun bin ich etwas abgeschweift. Lange Story kurz: ich feierte im Jahr 2017 das 10 jährige Jubiläum bei der Bank, befördert wurde ich immer noch nicht.
Das ganze Drama blieb bei meinen Arbeitskollegen natürlich nicht unbemerkt. Seit Jahren machen wir Witze darüber, dass ich zuerst Depotmillionär bin, bevor ich jemals befördert werde. Oder dass mein Sohn noch vor mir befördert wird.
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